WEIBLICHES AFGHANISTAN
Was mir in Afghanistan auffiel, war die Widersprüchlichkeit des Lebens als Frau. Ich sah Frauen unter der Burka, am Straßenrand sitzend wie abgestellte Müllsäcke. Und ich traf junge, selbstbewusste Frauen, angehende Medizinerinnen, Juristinnen, Lehrerinnen oder Polizistinnen. Sie studierten, um etwas für ihr Land und die afghanischen Frauen zu tun. Ich spürte sehr viel Energie und Engagement, aber immer auch unterschwellige Angst, die Fesseln der Talibanzeit ganz abzuwerfen. Die Vergangenheit lastet auf den afghanischen Frauen wie eine riesige Burka. Mit der Kamera habe ich versucht, einen Blick darunter zu werfen.
ANGELO – Teil 1
Angelo ist ein Junge aus der Namibe-Provinz in Angola, dem eine explodierende Petroleumlampe im Alter von zwei Jahren das Gesicht und beide Hände zerstört hatte. Im Frühling 2013 kam er nach Deutschland, um hier zum wiederholten Mal operiert zu werden. Schon im Bus auf dem Düsseldorfer Fluhafenrollfeld begann er eifrig zu malen, und seine verstümmelte linke Hand führte den Filzstift mit großer Sicherheit. Angelo kam nach Frankfurt, wo ein Chirurgenteam versuchte, das zerstörte Gesicht zu reparieren und der linken Hand ein wenig mehr Beweglichkeit zu geben. Am Anfang dieser Reportage sah ich vor allem die Hilfsbereitschaft vieler Menschen und die maschinengleiche Präzision der Ärzte.
ANGELO – Teil 2
Nach einigen Wochen, nachdem die Wunden der ersten OP verheilt waren, wurde Angelo erneut mehrere Stunden lang operiert. Ein plastischer Chirurg von Weltruf war eigens aus München angereist, um den zweiten Zeh des linken Fußes zu amputieren und ihn als Daumenersatz am Stummel der rechten Hand anzunähen. Die Operation gelang, aber damit der neue Daumen wirklich greifen würde, müßte Angelo sehr viel trainieren. Wer würde ihn in seinem Dorf in der Namibe-Provinz dazu anhalten? Nach einem halben Jahr kehrte Angelo nach Afrika zurück. Während alle andern angolanischen Kinder sich freuten, war der lebhafte Angelo plötzlich still, ängstlich und in sich gekehrt. Am Ende dieser Reportage hatte ich viele Fragen, aber bis heute habe ich keine Antwort.
FRIEDENSDORF
Was mir im Friedensdorf als erstes auffiel, war der Zusammenhalt der Kinder. Sie kamen von verschiedenen Ländern und Kontinenten, sprachen nicht dieselbe Sprache, aber sie unterstützten sich gegenseitig, strahlten eine große Fröhlichkeit aus. Ich traf ein etwa zehn- oder elfjähriges Mädchen, dessen Gesicht durch ein Feuer völlig zerstört war. Noch beim Fotografieren empfand ich Mitleid. Nachher, als ich sie auf meinen Bildern mit anderen Kindern spielen sah – ihre Lebendigkeit und Freude, nahm ich ihre Verletzungen nicht mehr wahr. Ich sah nur noch ein ganz normales Kind. Unabhängig von aller medizinischen Hilfe, die es dort gibt, habe ich das Friedensdorf als einen Ort erlebt, an dem Kinder mit all ihren unterschiedlichen Verletzungen, Herkünften, Sprachen und Kulturen sie selbst sein können. Wie alle Kinder auf dieser Welt brauchen sie nicht viele Worte, um zu kommunizieren. Sie wollen spielen und sie selbst sein.